Eine der interessantesten Kirchen Roms befindet sich an der Piazza del Popolo. Sie liegt direkt an der antiken aurelianischen Stadtmauer. Die heutige Kirche, basierend auf einer kleinen mittelalterlichen Kirche, entstand im 15. Jahrhundert unter Papst Sixtus IV., der auch die sixtinische Kapelle errichten ließ. Sie gehört dem Augustinerorden und sehr wahrscheinlich hielt sich hier auch Luther während seines Romaufenthaltes auf.
Die Fassade aus dem späten 15. Jahrhundert ist sehr schlicht ohne viele Dekorationselemente, typisch für die Frührenaissance. Wir haben hier eine typische dreischiffige Basilika mit mehreren Seitenkapellen. Aufgrund des Kreuzgratgewölbes und der Strebepfeiler bekommt S. Maria del Popolo einen mittelalterlichen Charakter. Trotzdem wirkt die Kirche monumental mit ihrer großzügigen Raumgestaltung und der Kuppel, der ersten in Rom.
Unter Bernini ist die Kirche im 17. Jahrhundert teilweise barockisiert worden, da sie zu schlicht schien. Aus dieser Epoche stammt die Stuckdekoration, die zahlreichen Heiligendarstellungen und der Barockaltar. In diesem Altar von Bernini wird ein Bild von Maria aufbewahrt, von dem man sagt, es sei nicht von Menschenhand gemalt worden, sondern Maria sei dem heiligen Lukas erschienen und habe seine Hand geführt, um von sich ein Porträt zu malen. Wir wissen aber, daß das Bild aus dem 13. Jahrhundert stammt.
Der Chor wurde von Bramante erweitert ( er war auch der Hauptarchitekt vom Neubau der Peterskirche). Im Chor sehen wir zwei Kardinalsgräber aus der Zeit um 1500, entworfen von Andrea Sansovino, einem Florentiner Bildhauer, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts mehrfach in Rom gearbeitet hat. Die Kombination von Architektur und Bildhauerei in diesen beiden Gräbern hatte sehr viel Erfolg in der Folgezeit.
Interessant sind vor allem einige Seitenkapellen:In der dritten Kapelle rechts hat Pinturicchio im späten 15. Jahrhundert gearbeitet. Er war einer der bekanntesten Maler aus Umbrien, auch Raffael hat als junger Künstler mit ihm zusammengearbeitet. Besonders interessant ist hier die Scheinarchitektur. Das Altarbild stellt Maria mit dem Christuskind dar, umgeben von Heiligen.
Links vom Hauptaltar, am Ende des linken Seitenschiffes, befindet sich die sog. Cappella Cerasi, beauftragt von einem Monsignore Cerasi. Kunsthistorisch ist diese Kapelle hochinteressant, denn wir haben hier 3 Altarbilder barocker Künstler: an der Stirnseite sehen wir die Himmelfahrt von Maria von Annibale Caracci. Er war einer der bedeutendsten Künstler hier in Rom zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Sein Malstil war eher klassisch, beruhend auf den Werken Raffaels. Wir sehen einen hellen Hintergrund, davor Maria. Die Beleuchtung und Farbgebung ist sehr gleichmäßig. Im krassen Gegensatz dazu stehen die beiden Seitenaltäre- zwei Werke von Caravaggio ( die Kreuzigung von Petrus und die Bekehrung von Paulus), die extrem realistisch und dramatisch die Szenen darstellen mit starkem Hell/ Dunkel Kontrast. Beide Künstler haben gleichzeitig in Rom gearbeitet, aber ihr Stil ist sehr unterschiedlich. Wir sehen hier also die beiden Tendenzen, die sich zu Beginn der Barockzeit in Rom entwickelten.
Sehr berühmt ist die zweite Kapelle links, Cappella Chigi. Agostino Chigi war ein sehr reicher Bankier, der auch den Papst finanziell unterstützt hat und ein guter Freund von Raffael war. Und Raffael wurde beauftragt, eine Grabkapelle für ihn und seinen Bruder Sigismundo zu entwerfen.Die Kapelle hat den Grundriß eines griechischen Kreuzes, d.h. alle vier Arme sind gleich lang, bekrönt wird sie von einer Kuppel.Diese Kuppel wurde dekoriert nach Entwürfen von Raffael. Dargestellt sind die Planeten, symbolisiert von heidnischen Göttern und von entsprechenden Tierkreiszeichen. Ueber allem aber schwebt Gott Vater. Links und rechts haben wir zwei Wandpyramiden als Grabsteine für die beiden Chigibrüder, Das Altarbild mit der Darstellung der Geburt von Maria stammt von Sebastiano del Piombo, einem engen Freund von Michelangelo und in gewisser Weise ein Konkurrent von Raffael, auch wenn er niemals sein Niveau erreicht hat. Raffael war sehr jung gestorben, sodass Sebastiano del Piombo diesen Auftrag bekam.
Viele Geistliche und Adlige wurden in Santa Maria del Popolo begraben, sodaß nahezu jeder Pfeiler eine Grabdekoration aufweist.Dies ist sehr typisch für die Kirchen der Bettelorden, z. B. auch bei den Dominikanern in Santa Maria sopra Minerva.
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